Leseprobe "New Gods: Ersehnen"

Buchcover zu "New Gods: Ersehnen", dem dritten Teil der Romantic-Fantasy-Buchreihe von Melissa Ratsch

Kapitel 1

 

 

„Oh mein Gott.“

Mit einem Ächzen ließ Ezra den Kopf hängen und bat um himmlischen Beistand. Oder um einen Gehörschutz. Ausgerechnet an diesem Tag musste sein letzter Termin mit den Hawthornes sein. Er hatte bisher kein einziges Paar behandelt, bei denen er so sehr mit dem Gedanken spielte, ihnen eine Scheidung nahezulegen. Dabei ging das sonst gegen seine Grundsätze. Doch die Hawthornes würden sich eher gegenseitig umbringen, als jemals wieder eine harmonische Ehe zu führen.

„Geht es dir nicht gut?“

Ezra hob den Kopf und sah zu Kristy. Diese hatte eine Augenbraue erhoben und sah ihn abschätzend an.

„Nein, alles gut“, erwiderte er.

„Ach Ezra“, seufzte Kristy und lächelte schief. „Du bist ein toller Chef, aber ein ganz miserabler Lügner. Was stimmt nicht? Hast du wieder Kopfschmerzen? Soll ich dir nochmal eine Tablette bringen?“

„Nein, keine Kopfschmerzen. Es sind die Hawthornes.“

Sofort verzog Kristy das Gesicht, als hätte sie in eine besonders saure Zitrone gebissen. „Ja, ich weiß. Tut mir leid, aber sie wollten unbedingt heute noch vorbeikommen und du hattest noch diesen einen Termin frei, also …“

Ezra winkte ab und sagte: „Schon gut, du kannst ja nichts dafür. Heute ist nur ein anstrengender Tag gewesen.“

„Soll ich sie anrufen und kurzfristig absagen?“

„Nein, ich ziehe das durch.“

„Okay.“ Kristy lächelte und fragte: „Soll ich dir einen Kaffee mit Schuss bringen?“

Ezra lachte leise vor sich hin. „Ein Kaffee wäre toll, aber den Alkohol lassen wir lieber.“

„Das Angebot steht“, sagte Kristy augenzwinkernd. Ohne weitere Worte verließ sie sein Sprechzimmer und ließ dabei die Türe offen. Ezra lehnte sich in seinem Sessel zurück, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und schloss die Augen.

Es dauerte nur Sekunden, da wurde ihm heiß und kalt, seine Haut prickelte von Energie, als würde er im Sommer unter einer Hochspannungsleitung stehen. Gleichzeitig empfand er eine beinah schmerzhafte Erregung, dicht gefolgt von inneren Leere.

Fluchend öffnete er die Augen, stand auf und begann, im Raum auf und ab zu laufen. Seit dem Morgen erging es ihm schon so und es machte ihn immer nervöser. Diese Gefühlsschwankungen kannte Ezra von sich nicht. Seine Freunde nannten ihn scherzhaft Buddha – oder wahlweise Dr. Love. Er war immer ausgeglichen und niemals so fahrig wie heute.

„Vielleicht liegt es am Wetter“, murmelte er vor sich hin und ging zum Fenster. Draußen kochte die Londoner Innenstadt unter einer ungewöhnlichen Hitzewelle. Und das Ende April. Das Klima, die ganze Welt spielte immer verrückter, warum sollte es ihm dann nicht ähnlich ergehen?

Eigentlich war ja die ganze Welt irre.

Eine Welt, in der es wieder Gottheiten gab.

Vor wenigen Monaten war das Pflanzenwachstum überall auf der Welt regelrecht explodiert. Auch vor den Metropolen hatte es nicht halt gemacht. An Ezras Praxisfenster rankte sich seither wilder Wein empor und viele der peinlich gepflegten englischen Gärten waren zu einem Dschungel geworden. Manches war wieder abgeholzt und entfernt worden – nicht nur hier in London – doch nach unzähligen Protesten waren viele der Pflanzen von den Staaten geschützt worden.

Das Läuten der Praxistür holte Ezra aus seinen Gedanken zurück in die Realität. Nur kurz darauf hörte er Kristy die Gegensprechanlage bedienen, ehe sie ihm kurz darauf seinen Kaffee brachte. Ein aufmunterndes Lächeln später verließ sie das Sprechzimmer und wurde von den Hawthornes abgelöst.

Oder zumindest den Menschen, die aussahen und sprachen wie die Hawthornes, aber niemals selbige sein konnten. Denn statt mit finsteren Mienen und einer toxischen Aura in sein Büro zu kommen, traten sie lächelnd und Händchenhaltend über die Schwelle.

Ezra war so perplex, dass er zur Sicherheit die Tasse wieder sinken ließ, ohne daraus getrunken zu haben. Aus Angst, den Kaffee sonst zu verschütten.

„Hallo Dr. Paxton“, sagte Ms Hawthorne mit einem strahlenden Lächeln. Sie und ihr Mann setzten sich auf die Couch. Dicht nebeneinander wie ein junges Pärchen und nicht in entgegengesetzten Ecken, wie sie es die vorigen acht Sitzungen getan hatten.

„Ms Hawthorne, Mr Hawthorne … wie schön, sie beide so harmonisch zu sehen.“ Ezra lächelte und ging zu dem Sessel ihnen gegenüber. Statt wie sonst nach seinem Notizheft zu greifen, lehnte er sich ein Stück nach vorn und stützte die Unterarme auf den Knien auf. „Bitte entschuldigen Sie meine inkompetente Frage, aber was ist mit ihnen passiert?“

Die Hawthornes lachten, sahen sich an und Ezra hätte sich nicht gewundert, wenn er Herzchen in ihren Augen erkannt hätte. Er musste sich davon abhalten, sich zu zwicken oder Kristy reinzurufen, um sie zu fragen, ob das hier ein besonders kreativer Scherz sein sollte.

„Wir wissen es selbst nicht“, antwortete Mr Hawthorne. „Heute Morgen noch hat Francine einen Teller nach mir geworfen und dann …“ Er zuckte mit den Schultern und küsste die Knöchel seiner Frau.

Ms Hawthorne lächelte ihn daraufhin noch ein wenig breiter an und sagte: „Es war, als hätte jemand einen Schalter umgelegt.“

„Ach ja?“, fragte Ezra.

„Ja.“ Ms Hawthorne nickte bekräftigend. „Wir … also wir können seither nicht mehr die Finger voneinander lassen.“

„Wir sind jetzt auch nur hier, weil wir Ihnen danken wollten“, mischte sich Mr Hawthorne ein. „Fast wären wir zu spät gekommen, weil wir es nicht mehr aus dem Bett herausgeschafft haben.“

Seine Frau nickte und ergänzte: „Oder dem Badezimmer.“

„Der Küche“, murmelte Francine Hawthorne. Mittlerweile atmete er schwer und hatte nur noch Augen für seine Frau. Sie sahen sich an … und fielen dann sprichwörtlich übereinander her. Sie küssten sich, als würden sie versuchen, den anderen mit Haut und Haaren zu verschlingen. Gleichzeitig zerrten sie einander an der Kleidung.

Ezra, der zwar schon viel gesehen und erlebt hatte, lehnte sich automatisch ein Stück zurück und presste den Rücken an die Lehne des Sessels. Es war nicht das erste Mal, dass es während einer seiner Sitzungen zu Handgreiflichkeiten kam, aber für gewöhnlich sahen die anders aus.

„Ms Hawthorne, Mr Hawthorne“, sagte Ezra und räusperte sich. „So sehr ich mich auch über ihre Fortschritte freue, könnten sie bitte …“

Weiter kam er nicht, denn mittlerweile hatte Ms Hawthorne es geschafft, die Anzughose ihres Gatten zu öffnen, so dass dessen beachtliche Erektion zutage trat. Sofort schloss sie die Hand darum, was ihren Mann dazu veranlasste, mit einem langgezogenen Stöhnen den Kopf in den Nacken fallen zu lassen.

„Wissen Sie, Dr. Paxton“, raunte Francine Hawthorne und warf ihm einen Blick unter halb senkten Lidern zu. „Ich fand Sie ja schon immer attraktiv und ich würde mich sehr freuen, wenn Sie sich an dem Spiel mit meinem Mann beteiligen. Was sagst du dazu, Maxwell?“

Wieder stöhnte Maxwell Hawthorne, leckte sich über die Lippen und sagte an Ezra gerichtet: „Ich wollte schon immer zusehen, wie ein anderer Mann es meiner Frau besorgt.“

Ohne mich, schoss es Ezra durch den Kopf.

Die Worte fanden nicht ihren Weg über seine Lippen, da er diese fest zusammengepresst hatte. Um ein hysterisches Lachen oder einen Fluch zu unterdrücken, da war er sich noch nicht sicher. Nicht, weil er prinzipiell einem Dreier abgeneigt war, sondern aus berufsethischen Gründen. Als Sexual- und Paartherapeut verhalf er seinen Patienten zu einem erfüllten Sexleben, er nahm nicht daran teil.

Daher räusperte sich Ezra, erhob sich und erklärte: „Danke für die Einladung, aber ich kann diese leider nicht annehmen.“

Ms Hawthorne – deren Lippen mittlerweile ihre Hand am Glied ihres Mannes abgelöst hatten – gab nur ein leises Wimmern von sich, während Maxwell Hawthorne mit den Schultern zuckte. Vielleicht interpretierte Ezra es aber auch einfach nur so und die beiden hatten ihn mittlerweile komplett vergessen.

„Lassen Sie sich nur nicht aufhalten“, murmelte Ezra, stand auf und verließ das Sprechzimmer. Langsam ging er zu Kristy an den Tresen, die ihn mit einem prüfenden Blick musterte.

„Oh Mann, ist es schon jetzt so schlimm?“

„Du machst dir kein Bild“, murmelte Ezra. Er räusperte sich, strich sich durch die Haare und schüttelte den Kopf. Langsam aber sicher überwog die Erheiterung über diese bizarre Situation. Also sagte er mit einem Lächeln: „Würdest du bitte dem Reinigungsdienst Bescheid sagen, dass sie meinem Büro heute Abend besondere Aufmerksamkeit widmen? Anschließend rufst du Tyler vom Sicherheitsdienst und gehst dann nach Hause. Er soll hier die Stellung halten, bis die Hawthornes … nun, fertig sind.“

„Was? Warum denn das?“

Ezra lachte unterdrückt und erzählte seiner Assistentin, was sich da gerade in seinem Büro abspielte. Passend dazu hörte man ein dumpfes Stöhnen durch die geschlossene Tür. Kristys Augen weiteten sich und sie blinzelte mehrmals.

„Ich zumindest habe keine Lust, noch hier zu sein, wenn sie fertig sind“, sagte Ezra und grinste durchtrieben. „Du etwa?“

„Ähm … nein. Aber was zur Hölle hast du mit ihnen angestellt?!“

„Ich war das sicher nicht“, sagte Ezra. „Vielleicht liegt etwas in der Luft oder ist im Trinkwasser.“

Kristy lächelte und schüttelte langsam den Kopf. Sie griff nach dem Telefon, sagte aber an ihn gewandt: „Ja klar, Dr. Love.“

„Sei still und telefonier endlich“, erwiderte Ezra grinsend. Wie erwartet lachte Kristy erneut, ehe sie seine Aufträge ausführte. Es dauerte nur wenige Minuten, da kam Tyler und Ezra instruierte ihn, dass er spätestens in dreißig Minuten dafür sorgen sollte, dass die Hawthornes mit angemessenem Erscheinungsbild das Büro und das Gebäude verließen.

Als sehr eindeutiges Rumsen aus Ezras Büro zu hören war, machten er und Kristy sich aus dem Staub und ließen den ziemlich verdutzt dreinschauenden Tyler alleine zurück. Auf dem Weg in die Tiefgarage sagte Ezra zu seiner Assistentin: „Ich muss dich hoffentlich nicht extra an die ärztliche Schweigepflicht erinnern, die auch für dich gilt?“

„Nein, musst du nicht“, erwiderte Kristy grinsend. „Ich weiß, was ich alles erzählen darf und was nicht.“

„Prima. Ich wünsche dir noch einen schönen Abend und ein erholsames Wochenende.“

„Dir auch“, antwortete Kristy, stieg im Erdgeschoss aus und Ezra fuhr alleine hinunter in die Tiefgarage. Noch immer grinsend stieg er in seinen Wagen und fuhr nach Hause. Auf dem gesamten Weg malte er sich aus, wie er Faye von der wohl verrücktesten Therapiesitzung seiner Karriere erzählte. Sie würde sich königlich darüber amüsieren.

Er war noch etwa zwei Blocks von seinem Reihenhaus entfernt, da überfiel ihn abermals aus dem Nichts eine Welle aus purer Energie. Dieses Mal so heftig, dass er Schweißausbrüche hatte und sein Herz schmerzhaft gegen seine Rippen hämmerte. Die Hände so fest um das Lenkrad gelegt, dass das Leder knarzte, versuchte er tief durchzuatmen …

… und hielt dann unbewusst die Luft an, als er sah, wie sich zwei Frauen mitten auf dem Zebrastreifen anfingen zu küssen. Doch sie waren nicht die einzigen, denn auf der anderen Straßenseite lagen sich ein Mann und eine Frau in den Armen und dasselbe auch im Außenbereich eines Cafés.

„Was zur Hölle …?“, keuchte Ezra und blinzelte mehrmals. Doch das Bild änderte sich nicht und er hätte sicher weiter auf die sich küssenden Menschen gestarrt, wenn ihn nicht ein lautes Hupen aufgeschreckt hätte. So schnell, wie zuvor sein Herzrasen eingesetzt hatte, verschwand es auch wieder und er fuhr weiter. Dennoch sah er immer wieder in den Rückspiegel, doch von den Pärchen war nichts mehr zu sehen.

Hatte er sich das nur eingebildet? Oder lag tatsächlich etwas in der Luft?

„Das ist doch irre“, murmelte er und stellte seinen Wagen vor seinem Haus ab. Leicht zittrig stieg er aus, betrat sein Zuhause und ging sofort ins Badezimmer. Seine Kleidung klebte an ihm und seine Haut war kalt. Und das, obwohl es noch immer viel zu warm war.

Fröstelnd stellte er sich unter die Dusche, ließ minutenlang das warme Wasser über sich laufen und erst, als er sich wieder wie er selbst fühlte, stieg Ezra aus der Dusche und zog sich ein T-Shirt und kurze Shorts an. Er ging in die Küche, schob sich ein Fertiggericht in den Ofen und griff nach seinem Handy. Er musste unbedingt mit Faye sprechen.

Nach dem dritten Klingeln nahm sie ab. „Hey großer Bruder, du bist schon Zuhause?“

„Ja, bin ich“, sagte Ezra und lächelte. „Du wirst nicht glauben, was mir heute passiert ist.“

„Auf die Wette lasse ich mich ein“, sagte sie mit einem Lachen. „Dann lass mal hören, was du zu bieten hast.“

Ezra begann zu erzählen und schon nach wenigen Sätzen lachte seine Schwester so ausgelassen, dass er eine Pause einlegen musste.

„Okay, das ist echt verrückt“, beschied sie ihm, als er fertig war. Sicher musste sie sich wieder die Lachtränen aus den Augenwinkeln wischen. „Zum Glück haben wir um nichts gewettet, denn damit kann glaube ich niemand mithalten.“

„Jetzt fang nur nicht an zu kneifen“, forderte Ezra und setzte sich an den Tisch seiner Frühstücksecke. „Was ist bei dir heute passiert?“

„Ein verdammtes Wunder“, antwortete Faye. „Heute Nachmittag bin ich ins Krankenhaus, um die Lippenspalte eines vier Monate alten Jungens zu korrigieren. Als ich jedoch dort ankam, war da nichts mehr zu korrigieren.“

„Was?“, entwich es Ezra. Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. „Wie ist denn das möglich?“

Faye atmete tief ein und sagte: „Ich habe keine Ahnung. Wie gesagt, es ist ein verdammtes Wunder.“

„Meinst du, das hängt mit den Göttern zusammen?“

„Ich weiß es nicht … vielleicht.“ Faye seufzte und fügte hinzu: „Eine bessere Erklärung will mir zumindest nicht einfallen. Aber gleichzeitig habe ich noch von keinem ähnlichen Fall gehört. Eine Lippen-Spalte ist ein kosmetisches, kein gesundheitliches Problem. Was für eine Gottheit würde so etwas tun?“

„Hm, keine Ahnung“, murmelte Ezra. Seine Schwester hatte recht, diese Art Fehlbildung war ein Job für sie als plastische Chirurgin. Andererseits, wer oder was sollte es sonst gewesen sein?

„Das ist echt verrückt“, fügte er hinzu.

„Das kannst du laut sagen. Außerdem …“

„Was?“

„Ich glaube, ich brüte etwas aus“, antwortete Faye. „Oder es liegt an diesem verrückten Wetter. Auf jeden Fall habe ich den ganzen Tag schon so seltsame … ja, irgendwie kann man es als Stimmungsschwankungen bezeichnen. Aus dem heiteren Himmel fühle ich mich voller Energie, als würde ich demnächst platzen, dann im nächsten Moment ist es wieder weg oder ich fühle mich absolut erschöpft.“

Ein kaltes Prickeln lief Ezra über den Rücken, während er Faye zuhörte. Als er ihr erzählte, dass es ihm genauso ging, herrschte einige Herzschläge ein angespanntes Schweigen zwischen ihnen. Nur das kosmische Rauschen in der Leitung war zu hören.

„Vielleicht haben wir uns beide einen Virus eingefangen“, mutmaßte Faye.

„Vielleicht“, erwiderte Ezra, doch irgendwie konnte er nicht ganz daran glauben. Die Uhr am Ofen läutete und er holte sein Abendessen heraus. Dumm nur, dass er keinen Hunger mehr hatte. Das Gericht auf der Arbeitsplatte stehen lassend, lehnte er sich dagegen und massierte sich die Nasenwurzel.

„Hast du am Wochenende etwas vor?“, fragte er, um das Schweigen zu brechen.

„Nur morgen Vormittag. Carson wollte vorbeikommen, um mit mir die Details für den Einsatz in Afrika zu besprechen.“

„Wo wollt ihr dieses Mal hin?“

„Nach Nigeria, für einen Monat.“

Ezra lächelte. „Du warst schon immer der bessere Mensch von uns beiden.“

„Vielleicht“, antwortete Faye, in ihrer Stimme ein Lächeln. „Andererseits kann ich in ein paar Stunden OP einfach schneller helfen als du mit mehreren Stunden reden.“

„Ha ha“, sagte Ezra. „Du hörst nie mit diesem Vergleich auf, oder?“

„Wahrscheinlich nicht.“

„Dabei solltest du doch etwas mehr Respekt vor deinem älteren Bruder haben.“

„Nicht wegen zwei Minuten“, betonte Faye. „Du bist wohl eher der, der sich vorgedrängelt hat.“

„Ich wollte nur sehen, ob es draußen auch sicher genug für dich ist.“

Statt gleich darauf zu antworten, lachte Faye ausgelassen. „Lass uns darüber bei einem Essen reden, ja? Wie wäre es mit morgen Abend? Oder hast du da schon ein heißes Date?“

„Nein, habe ich nicht“, erwiderte Ezra. „Ich bin um sieben bei dir.“

„Perfekt. Ich freue mich.“

Ezra lächelte und sie verabschiedeten sich. Er legte das Telefon beiseite, nahm sich sein Essen und setzte sich an den Tisch. Er hatte kaum die Gabel zum Mund geführt, da passierte es schon wieder: Energie schoss durch seine Adern, heiß und glühend wie Lava, gefolgt von einer geradezu irrwitzigen Euphorie. Ezra ließ die Hand sinken, presste die Lippen zusammen, doch das Lachen ließ sich nicht aufhalten.

Laut brach es aus ihm heraus, Tränen traten in seine Augen und er lachte immer weiter und weiter. Im letzten rationalen Teil seines Gehirns fragte er sich, ob er jetzt verrückt werden würde. Aber wie auch die Male zuvor war der Spuk so schnell vorbei, wie er gekommen war. Dafür ließ er ihn dieses Mal so ausgelaugt zurück, dass er um ein Haar mit dem Gesicht voran in seinem Essen gelandet wäre.

„Was soll das?“, fragte er leise. Mit letzter Kraft stand er auf und schleppte sich nach oben ins Schlafzimmer. Dort ließ er sich auf die Matratze fallen und schlief sofort ein.